Lateinische Wachstafelngrammatik

Das Pronomen

Im Lateinischen verwendet man ein Pronomen wie im Deutschen, wenn man die Wiederholung eines Nomens vermeiden will (Personal-, Possessiv- und manche Demonstrativpronomina), wenn man ein Nomen erläutern möchte (Relativ- und manche Demonstrativpronomina) oder wenn man ein Pronomen nicht genau bestimmen kann oder will (Interrogativ- und Indefinitpronomina). Da ein Pronomen – wie der Name sagt – anstatt eines Nomens steht, sind seine syntaktischen Funktionen fast so zahlreich wie die eines Substantivs und Adjektivs. Es kann allerdings nie die Rolle eines bezogenen Adverbiales übernehmen.

Genus-Attraktion eines Pronomens an das Prädikatsnomen
Wenn in einem Satz durch eine Pronomen z.B. auf eine Aussage in einem vorausgehenden Satz verwiesen und das Prädikat durch ein Verb mit substantivischem Prädikatsnomen gebildet wird, gleicht sich im Lateinischen das Pronomen an das Genus des Prädikatsnomens an, während im Deutschen Neutrum steht.
Demonstrativpronomen
Nos iis fidem habemus, quos ex tempore consilium capere possunt. Hanc enim utilem homines existimant prudentiam.
[vgl. Cic.off.2,33]
Wir schenken denjenigen Vertrauen, die situationsgerecht einen Plan fassen können. Dies halten die Menschen nämlich für nützliche Klugheit
Ista quidem vis est!
[Suet.Iul.82,1]
Das ist ja Gewalt!
Relativpronomen
Ultimum bonorum Epicurus in voluptate ponit, quod summum bonum esse vult.
[fin.1,29]
Das ultimativ Beste sieht Epikur in der Lust, von der er will, dass sie das höchste Gut ist
Indefinitpronomen
Quid est pietas nisi voluntas grata in parentes? Quae potest esse vitae iucunditas sublatis amicitiis?
[Planc.80]
Was ist Kindesliebe wenn nicht eine dankbare Gesinnung gegenüber den Eltern? Was kann Freude im Leben sein, wenn es keine Freundschaften gibt?
 

Personalpronomen

Ein Personalpronomen verweist auf eine Person und wird deshalb nur substantivisch gebraucht. Da im Lateinischen das Prädikat allein mit seiner Endung das Subjekt bezeichnen kann, steht das lateinische Personalpronomen viel seltener als das deutsche. Als Subjekt erscheint es nur zur Betonung oder Kontrastierung mit anderen Personen.

Nos, nos, dico aperte, consules desumus.
[Cat.1,3]
Wir, wir – ich sage es offen – die Konsuln sind säumig.
Dixi ego idem in senatu caedem te optumatium contulisse in ante diem V Kalendas Novembris.
[Cat.1,7]
Ich habe im Senat auch vorausgesagt, dass du die Ermordung der Optimaten auf den 28. Oktober gelegt habest.
 
Personalpronomen
1. Person 2. Person 3. Person
    nicht reflexiv reflexiv
ego;
nos
tu;
vos
is, ea, id;
ei, eae, ea
sui, sibi, se, se;
sui, sibi, se, se
Reflexivität und Nichtreflexivität in der 3. Person des Personalpronomens

Die Form des Personalpronomens der 3. Person hängt im Deutschen und im Lateinischen nicht nur von Kasus, Numerus und Genus ab, sondern auch vom Verhältnis des Personalpronomens zum Subjekt:

Direkte Reflexivität bei Identität mit dem Subjekt des Satzes oder dem Subjektsakkusativ
Wenn in einem Haupt- oder Nebensatzes die mit dem Personalpronomen bezeichnete Person identisch ist mit dem Subjekt des Satzes, in dem das Personalpronomen steht, muss im Lateinischen und Deutschen das reflexive Personalpronomen verwendet werden.
Wenn in einem AcI die mit dem Personalpronomen bezeichnete Person identisch ist mit dem Subjekt, steht im Lateinischen das reflexive Personalpronomen, im deutschen dass-Satz dagegen das nichtreflexive Personalpronomen.
Ein reflexives Personalpronomen kann in einem AcI auch deshalb stehen, weil ein Pronomen mit dem Binnensubjekt identisch ist.
Orgetorix per eos, ne causam diceret, se eripuit.
[Gall.1,4,2]
Orgetorix entzog sich durch sie einer Aussage vor Gericht.
Caesar negat se more et exemplo populi Romani posse iter ulli per provinciam dare.
[Gall.1,8,3]
Caesar sagte, er könne aufgrund der traditionellen Verhaltensweise des römischen Volkes niemandem die Durchreise durch die Provinz gestatten.
Ego, patres conscripti, memoria teneo Q. Scaevolam augurem cotidie facere omnibus potestatem conveniendi sui.
[Phil.8,31]
Ich, ihr Senatoren, erinnere mich, dass der Augur Q. Scaevola allen die Möglichkeit einräumte ihn zu treffen.
Direkte Reflexivität bei Identität mit dem logischen Subjekt ("man")
Das reflexive Personalpronomen kann im Lateinischen und Deutschen auch dann verwendet werden, wenn die vom Personalpronomen bezeichnete Person zwar nicht mit dem grammatischen Subjekt, aber mit dem sinngemäßen Hauptakteur („logisches Subjekt“) identisch ist.
Quod sibi petitur, certe alteri non exigitur.
[Q.Rosc.52]
Was man für sich fordert, treibt man sicher nicht für den anderen ein.
Indirekte Reflexivität bei Identität mit dem Subjekt des innerlich abhängigen überge-ordneten Satzes
Das reflexive Personalpronomen steht im Lateinischen auch dann, wenn ein Personalpronomen in einem innerlich abhängigen Nebensatz mit dem Subjekt des übergeordneten Satzes identisch ist.
Cassius constituit, ut ludi absente se fierent suo nomine.
[Att.15,11,2]
Cassius beschloss, dass trotz seiner Abwesenheit Spiele in seinem Namen stattfinden sollten.

Reflexive Pronomina in einem AcI oder innerlich abhängigen Nebensatz können sich also auf den Subjektsakkusativ bzw. das Subjekt des Nebensatzes oder auf das übergeordnete Subjekt beziehen. Um Missverständnisse zu vermeiden, steht manchmal anstelle eines indirekt reflexiven Personalpronomens ipse.

Ariovistus ad Caesarem legatos mittit, uti ex suis legatis aliquem ad se mitteret.
[Gall.1,47,1]
Ariovist schickte Gesandte zu Caesar, damit er einen seiner (dir.) Legaten zu ihm (ind.) schicke.
Caesar centuriones vehementer incusavit: Quid tandem vererentur aut cur de sua virtute aut de ipsius diligentia desperarent.
[Gall.1,40,4]
Caesar machte den Zenturionen schwere Vorwürfe: Wovor sie denn Angst hätten oder warum sie an ihrer Tapferkeit oder seiner Umsicht zweifelten.
Die Genitive nostrum und vestrum

Die Genitive nostrum und vestrum (Kurzformen für nostrorum und vestrorum) werden dann verwendet, wenn der Genitiv die semantische Funktion eines Genitivus totius hat.

Catilina notat et designat oculis ad caedem unumquemque nostrum.
[Cat.1,2]
Catilina weiht mit seinem Blick einen jeden von uns dem Tod.
Is,ea,id als Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens und als Demonstrativpronomen

Zu is,ea,id in anderen Rollen als der eines Personalpronomens s. die Kapitel Possessivpronomen und Demonstrativpronomen.

Reflexive Pronomina in indirekter Rede

Da die Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede vom Prädikat des einleitenden Satzes innerlich abhängig sind, herrscht in ihnen indirekte Reflexivität, d.h. bei Bezug auf das Subjekt des einleitenden Satzes stehen reflexive Personal- und Possessivpronomina.

direkte Rede:
"Eo minus dubitationis mihi datur, quod eas res, quas commemoravisti, memoria teneo." "Für mich besteht (gerade) deshalb weniger Zweifel, weil ich diese Ereignisse, die ihr erwähnt habt, (durchaus) kenne."
indirekte Rede:
Caesar ita respondit:
Eo sibi minus dubitationis dari, quod eas res, quas legati Helvetiii commemorassent, memoria teneret.
[Gall.1,14,1]
Caesar antwortete so:
Für ihn bestehe (gerade) deshalb um so weniger Zweifel, weil er diese Ereignisse, die die helvetischen Gesandten erwähnt hätten, (durchaus) kenne.

Zum Konjunktiv in indirekter Rede s. "Konjunktiv in indirekter Rede" und zum AcI s. "AcI in indirekter Rede".

 

Possessivpronomen

Ein Possessivpronomen wird gewöhnlich adjektivisch gebraucht, es kann aber auch wie ein Adjektiv substantivisch verwendet werden. Es bezeichnet einen Besitzer im eigentlichen oder übertragenen Sinn.

Sensistine Praeneste meo iussu meis praesidiis, custodiis, vigiliis esse munitam?
[Cat.1,8].
Hast du bemerkt, dass Praeneste auf meinen Befehl hin von meinen Wachtposten, Aufpassern und Nachtwachen geschützt wurde?
Suum cuique. Jedem das Seine.
 
Possessivpronomen
1. Person 2. Person 3. Person
    nicht reflexiv reflexiv
meus, mea, meum;
noster, nostra, nostrum
tuus, tua, tuum;
vester, vestra, vestrum
eius;
eorum, earum, eorum
suus, sua, suum;
suus, sua, suum
Reflexivität und Nichtreflexivität in der 3. Person des Possessivpronomens

Im Lateinischen muss – anders als im Deutschen – auch beim Possessivpronomen der 3. Person das Verhältnis des Pronomens zum Subjekt beachtet werden. Es gelten die gleichen Regeln wie beim Personalpronomen:

Direkte Reflexivität bei Bezug auf das Subjekt des Satzes oder den Subjektsakkusativ
Orgetorix confirmat se suis copiis suoque exercitu illis regnum conciliaturum (esse).
[Gall.1,3,7]
Orgetorix versicherte, dass er mit seinen Truppen und seinem Heer jenen Königreiche verschaffen werde.
Helvetios in fines suos reverti iussit.
[Gall.1,28,3]
Caesar befahl, dass die Helvetier in ihr Gebiet zurück zogen.
Direkte Reflexivität bei Bezug auf das logische Subjekt oder Betonung der Zugehörigkeit ("sein eigener")
Caesar Fabium cum sua legione remittit in hiberna.
[Gall.5,53,3]
Caesar schickte Fabius mit seiner eigenen (also der des Fabius) Legion ins Winterlager.
Indirekte Reflexivität bei Bezug auf das Subjekt des innerlich abhängigen übergeordneten Satzes
Cassius constituit, ut ludi absente se fierent suo nomine.
[Att.15,11,2]
Cassius beschloss, dass trotz seiner Abwesenheit Spiele in seinem Namen stattfinden sollten.
Is,ea,id als Personalpronomen und als Demonstrativpronomen

Zu is,ea,id als Personalpronomen oder Demonstrativpronomen s. die Kapitel Personalpronomen und Demonstrativpronomen.

 

Demonstrativpronomen

Demonstrativpronomina können sowohl substantivisch als auch adjektivisch gebraucht werden.

Quo etiam maiore sunt isti odio supplicioque digni, qui deorum templis atque delubris sunt funestos ac nefarios ignes inferre conati.
[Cat.3,22]
Desto größere Verachtung und Bestrafung verdienen diese Typen, die versucht haben, an die Tempel und Heiligtümer der Götter ganz unsägliches Feuer zu legen.
Quam diu etiam furor iste tuus nos eludet?
[Cat. 1,1]
Wie lange denn noch wird uns dieser dein Wahnsinn zum Narren halten?
 
Demonstrativpronomen
hic, haec, hoc dieser, mein/unser, folgender
bezeichnet eine Person oder Sache, die dem Sprecher örtlich oder zeitlich nahe steht oder liegt.
Da mihi hunc librum! Gib mir dieses Buch!
Diligimus hanc urbem. Wir lieben unsere Stadt.
Caesar haec locutus est: … Caesar sagte Folgendes: …
is, ea, id dieser
hat die gleichen semantischen Funktionen wie hic,haec,hoc. (Zu seinen Funktionen als nichtreflexives Personalpronomen und Possessivpronomen der 3. Person s. u.).
Da mihi eum librum! Gib mir dieses Buch!
iste, ista, istud der da
bezeichnet – häufig mit abwertendem Sinn – eine Person oder Sache, die dem Angesprochenen örtlich oder zeitlich nahe liegt.
Ista subsellia vacua sunt. Die Bänke in deiner Nähe sind leer.
Iste mihi maledixit. Der Schuft da hat mich beleidigt.
ille, illa, illud jener, der bekannte
bezeichnet eine Person oder Sache, die dem Sprecher fern liegt. Diese Ferne kann z.B. durch das Alter, den Ruhm, aber auch nur formal durch die Position des Bezugswortes im vorausgehenden Satz bedingt sein.
Illis temporibus mores maiorum vigebant. In jenen Zeiten hatten die Sitten der Vorfahren große Bedeutung.
Illum Ciceronem in exilium miserunt. Den berühmten Cicero haben sie in das Exil geschickt.
Hannibal et Scipio praeclari sunt: hic Romanus, ille Poenus natione. Hannibal und Scipio sind weltberühmt: der letzgenannte war Römer, der erstgenannte Punier.
idem, eadem, idem derselbe
weist auf eine bereits genannte Person oder Sache hin, um eine gleichartige oder gegensätzliche Aussage hinzuzufügen.
Cicero disertus fuit idemque doctus. Cicero war beredt und zugleich/ auch gebildet
Quidam student rebus obscuris et eisdem non necessariis. Manche bemühen sich um geheimnisvolle, aber unnötige Dinge.
ipse, ipsa, ipsum selbst, persönlich, schon, genau
bezeichnet eine Person oder Sache, die der Sprecher hervorheben möchte.
Ipse dixit. Er hat es selbst/persönlich gesagt.
Ipsa spes homines adiuvat. Schon die Hoffnung hilft den Menschen.
Ipsos decem dies afuit. Sie ist genau zehn Tage lang weggewesen.
Ipse,ipsa,ipsum bei inhaltlicher Identität von Subjekt und Objekt auf das Subjekt bezogen

Um das Subjekt besonders zu betonen, bezieht sich ipse,ipsa,ipsum manchmal auch dann formal auf das Subjekt, wenn es nach dem deutschen Sprachgefühl auf das Objekt bezogen sein müsste.

Non potest exercitum is continere imperator, qui se ipse non continet.
[Manil.38]
Nicht im Griff haben kann sein Heer ein solcher Feldherr, der sich selbst nicht im Griff hat.
Regel von der umgekehrten Kongruenz bei pronominalem Subjekt und zweiteiligem Prädikat
(s. Das finite Verb)
Is,ea,id als Personalpronomen und als Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens

Zu is,ea,id als Personalpronomen oder Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens s. die Kapitel Personalpronomen und Possessivpronomen.

 

Relativpronomen

Ein Relativpronomen kongruiert in Genus und Numerus wie ein Adjektiv mit einem Bezugswort, ist in seinem Kasus aber von der Konstruktion des Relativsatzes abhängig. Es knüpft eine Beziehung zum übergeordneten Satz (s. dazu Der Relativsatz).

Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam Celtae.
[Gall.1,1,1]
Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt, von welchen den einen die Belger, den anderen die Aquitaner und den dritten die Kelten bewohnen.
 
Relativpronomen
qui, quae, quod welcher, welche, welches,
der, die, das,
wer, was (bei fehlendem Bezugswort)
quicumque, quaecumque, quodcumque wer auch immer, welche auch immer, was auch immer
quisquis, quidquid (nur im Nom.) jeder,der / alles,was
Quocum, quacum und quibuscum

Die Präposition cum steht gewöhnlich hinter dem Ablativ des Relativpronomens und wird mit diesem zusammengeschrieben.

Relativischer Satzanschluss

Beim „relativischen Satzanschluss“ knüpft das Relativpronomen keine Beziehung zu einem übergeordneten, sondern zu einem gleichgeordneten Satz. In diesem Fall wird das Relativpronomen mit Demonstrativ- oder Personalpronomen übersetzt.

Pater Oppianici Cluentium suo testimonio sublevat. Quod recita!
[Cluent.168]
Der Vater des Oppianicus entlastet den Cluentius durch sein Zeugnis. Lies es vor!

 

Häufige relativische Satzanschlüsse:

qua re deshalb quodsi wenn aber/nun/also
quam ob rem deshalb quae cum ita sint unter diesen Umständen
qua de causa deshalb quibus rebus gestis darauf
quapropter deshalb quibus rebus cognitis auf diese Kunde
 

Interrogativpronomen

Interrogativpronomina unterscheiden sich bei substantivischem und adjektivischem Gebrauch teilweise in ihren Formen. Mit ihnen kann am Anfang eines Haupt- oder Nebensatzes eine Person oder Sache erfragt werden (s. dazu „Der abhängige Fragesatz“).

Quis te ex hac tanta frequentia totque tuis amicis ac necessariis salutavit?
[Cat.1,16]
Wer von dieser so großen Menge und deinen so vielen Freunden und Bekannten hat dich gegrüßt?
Qui locus ingenium patroni requirit aut oratoris eloquentiam magno opere desiderat?
[S.Rosc.34]
Welcher Anklagepunkt erfordert (überhaupt) das Talent eines Anwalts oder verlangt in besonderer Weise die Fähigkeit eines Redners?
 
Interrogativpronomen
quis, quid wer, was
qui, quae, quod welcher, welche, welches
uter, utra, utrum wer von beiden
qualis, quale wie beschaffen
quantus, quanta, quantum wie groß
Quis statt qui für die Frage nach dem Namen

Statt qui wird gewöhnlich quis adjektivisch neben Personenbezeichnungen verwendet, wenn nach dem Namen einer Person gefragt wird. Bei der Frage nach der Beschaffenheit einer Person steht erwartungsgemäß qui.

Quis tota Italia veneficus, quis gladiator, quis latro, quis sicarius, quis parricida inveniri potest, qui se cum Catilina non familiarissime vixisse fateatur?
[Cat.2,7]
Welchen Giftmischer kann man in ganz Italien finden, welchen Gladiator, welchen Räuber, welchen Halsabschneider oder welchen Mörder, der nicht offen bekennt, dass er mit Catilina sehr eng zusammengelebt hat?
 

Indefinitpronomen

Indefinitpronomina beziehen sich auf eine Einzelperson oder auf eine Gruppe. Wenn sie sich auf eine Einzelperson beziehen, sind sie entweder deshalb unbe­stimmt, weil der Sprecher die gemeinte Person nicht nennen will (Ein gewisser Schüler hat bei dieser Klassenarbeit eine schlechte Note geschrieben.) oder nicht nennen kann (Irgendein Schüler hat vor meinem Eintreffen die Tafel bekritzelt.). Auf eine Gruppe bezogen ist entweder „jeder“ oder „keiner“ in der Gruppe gemeint.

Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen zwischen adjektivischem und substantivischem Gebrauch der Indefinitpronomina unterschieden:

adjektivisch
Quis enim umquam litteras ad se ab amico missas offensione aliqua interposita palam recitavit?
[Phil.2,7]
Wer hat denn jemals einen Brief, der ihm von seinem Freund geschickt wurde, öffentlich vorgelesen, nur weil irgendeine Kränkung zwischen sie getreten war?
substantivisch
Metuit Antonius, ne suorum aliquis a Cyda, Lysiade, Curio condemnetur?
[Phil.8,27]
Fürchtet Antonius, dass irgendeiner seiner Leute von Cydas, Lysiades oder Curius verurteilt wird?
 
Indefinitpronomen
  adjektivisch substantivisch
E i n z e l p e r s o n
  ein gewisser, ein jemand, etwas
  quidam, quaedam, quoddam quidam, quaedam, quiddam
  irgendein irgendjemand
In Sätzen mit bejahtem Sinn: aliqui, aliqua, aliquod aliquis, aliqua, aliquid
In Sätzen mit verneintem Sinn: ullus, ulla, ullum quisquam, quidquam
Nach einem Stützwort wie ne, si, nisi, num, quo, quando, ubi, cum: qui, quae/qua, quod quis, quae/qua, quid
G r u p p e
  jeder jeder
  unusquisque, unaquaeque, unumquodque unusquisque, unumquidque
Nach Reflexiv-, Relativ- und Interrogativprono­men, Superlativ und Ordnungszahl als Stützwort: quisque, quaeque, quodque quisque, quidque
  kein niemand, nichts
  nullus, nulla, nullum nemo, nullius, nemini,neminem, nullo (im Neutrum nur nihil)
Steigerndes und abschwächendes quidam

Wenn eine Form von quidam zwischen Adjektiv oder Pronomen und Substantiv steht, verstärkt diese meistens die Adjektiv- oder Pronomenbedeutung:

Natura inest in mentibus nostris insatiabilis quaedam cupiditas veri videndi.
[Tusc.1,44]
Von Natur aus liegt in unserem Geist eine ganz unersättliche Begierde, die Wahrheit zu erkennen.
Nonnulli suum quoddam institutum consequuntur.
[off.1,116]
Manche verfolgen ihr ganz eigenes Ziel.

Umgekehrt kann quidam aber auch einen kühnen bildhaften Ausdruck abschwächen:

Est ambulantibus ad hunc modum sermo ille nobis institutus et a tali quodam ductus exordio: ….
[Tusc.2,10]
Wir führten, während wir spazieren gingen, auf folgende Weise unser Gespräch und begannen ungefähr mit folgender Einleitung: …
Adjektivische Verwendung von nemo vor Personenbezeichnungen

Bei männlichen Personenbezeichnungen, Adjektiven und Zahlwörtern wird nemo, ähnlich wie quis und quisquam, adjektivisch verwendet:

Metellus, qua iniuria nemo umquam in aliquo magistratu improbissimus civis adfectus est, ea me consulem adfecit.
[fam.5,2,7]
Metellus hat mich als Konsul so beleidigt, wie der übelste Bürger in irgendeinem Amt niemals beleidigt worden ist.
Nescio quis

Fragepronomina nach nescio leiten meistens keinen abhängigen Fragesatz ein, sondern bilden mit nescio eine Einheit, die einem Interrogativpronomen oder -adverb gleich kommt. Dabei wird auch nescio quis wie quis, quisquam und nemo häufig adjektivisch verwendet. Bei Eigennamen hat nescio quis in der Regel eine abwertende Bedeutung.

Accedit Saxa nescio quis, quem nobis Caesar ex ultima Celtiberia tribunum plebis dedit.
[Phil.11,12]
Es kommt irgendein Saxa daher, den uns Caesar aus dem hintersten Keltiberien als Volkstribun beschert hat.
 
nescio quis/qui irgendjemand nescio quo modo irgendwie
nescio quid/quod irgendetwas nescio quando irgendwann
Weitere Indefinitpronomina

Als Indefinitpronomina treten auch die Zusammensetzungen quivis, quaevis, quodvis (jeder beliebige) und quilibet, quaelibet, quodlibet (jeder beliebige) auf.

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